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Wie sieht die Wirtschaft von Morgen aus? Welchen Einfluss haben Faktoren wie Klima und Umwelt auf unternehmerische Entscheidungen? Welchen grundlegenden Neuerungen müssen wir uns in diesem Bereich stellen? Um diese Fragen zu beantworten, blicken wir abseits der gesellschaftlichen Debatten auch auf die gesetzgeberischen Vorgaben und die damit verfolgten Ziele. Denn gemäß der jüngsten Veröffentlichungen ist klar, dass die EU die Verpflichtungen der Nachhaltigkeitsreports ausweitet und in diesem Jahr dazu eine neue Richtlinie verabschiedet hat – die CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) (vgl. Rat der Europäischen Union zu CSRD, Pressemitteilung vom 21. Juni 2022). Mit dieser wird das Thema ESG nun flächendeckend für einen größeren Unternehmenskreis zur herausfordernden Aufgabe – auch für viele Unternehmen der Kommunalwirtschaft. Damit wird künftig nun auch die Daseinsvorsorge stärker betroffen sein.
Die Abkürzung ESG steht für die drei Bereiche Environment (Umwelt), Social (Gesellschaft) und Governance (Unternehmensführung). Dahinter verbirgt sich der Versuch den komplexen Nachhaltigkeitsbegriff anhand verschiedener Kriterien messbar zu machen und das nachhaltige Verhalten von Unternehmen einzuschätzen. Im Hinblick auf die strategische Unternehmensentwicklung gewinnen diese drei nachhaltigkeitsbezogenen Verantwortungsbereiche immer mehr an Bedeutung.
Das „E“ in ESG symbolisiert Environment und betrachtet, inwiefern ein Unternehmen die Umwelt verschmutzt, Treibhausgase emittiert, Ressourcen verbraucht bzw. Energie effizient nutzt. Dafür können eine Vielzahl quantitativer und qualitativer KPIs herangezogen werden, die einen bestimmten Umgang mit dem Faktor Umwelt kennzeichnen. Neben klassischen Kennzahlen wie der CO2-Emission können auch qualitative Prozesse wie die Verbesserung des Energiemanagements zur Steigerung der Energieeffizienz herangezogen werden. Bei den sozialen Kriterien handelt es sich um gesellschaftliche Aspekte der Unternehmenstätigkeiten, mit stets oberstem Gebot: Der Achtung der Menschenwürde. Betrachtet werden darin nicht nur die internen Arbeitsbedingungen wie bspw. Arbeitssicherheit, Diversität oder Barrierefreiheit, sondern auch die externen Faktoren mit einem erweiterten Blick auf die Lieferkette. Hierdurch soll eine faire Arbeitskultur in der gesamten Wertschöpfung garantiert werden, die stets durch die Unternehmensführung - dem „G“ - gefördert werden soll. Im Fokus eines nachhaltigen Managements stehen damit unternehmenseigene Richtlinien, die Fairness und Transparenz innerhalb des Geschäfts gewährleisten sollen. Darunter zählen bspw. die Compliance Guidelines und klare Prozesse für Steuerungs- und Kontrollinstrumente.
Zwar ist die Evaluierung der unternehmerischen Nachhaltigkeitsverantwortung zum aktuellen Zeitpunkt in weiten Teilen ein freiwilliger Beitrag, der über die gesetzlichen Anforderungen hinausgeht. Zukünftig wird sich dies jedoch entscheidend ändern. Demnach wird die im Jahr 2014 beschlossene EU-Richtlinie zur nichtfinanziellen Berichtspflicht, die bisher geltende Nonfinancial Reporting Directive (NFRD) (vgl. Richtlinie 2014/95/EU), durch die CSRD ersetzt und grundlegend verschärft. Wie der Name bereits vermuten lässt, wird eine klare Zielrichtung der EU deutlich: Der Nachhaltigkeitsaspekt soll in Zukunft wesentlicher Teil der Berichtserstattung und somit den finanziellen Themen schrittweise gleichgestellt werden (vgl. Deutscher Nachhaltigkeitskodex, Zeitplan zur Weiterentwicklung des CSRD, Stand: 30.06.2022). Folglich müssen die bisher geltenden Regelungen des deutschen CSR-RUG (CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz) (vgl. Gesetzestext CSR-RUG) ebenfalls angepasst werden. Doch welche Unternehmen bzw. Bereiche betreffen diese Änderung? Welche Handlungsbedarfe entstehen dadurch insbesondere für kommunale Unternehmen?
Mit der neuen Richtlinie wird der Kreis der berichtspflichtigen Unternehmen deutlich erweitert. Dies soll nach dem Entwurf im Rahmen eines Stufenmodells geschehen, sodass bis 2029 folgende Entwicklung zu betrachten ist: Aktuell ist die CSRD formal bestätigt; nach deren Legitimierung sowie der Festlegung der notwendigen Standards soll die Regelung ab 2024 als integraler Bestandteil in den Geschäftsbericht implementiert werden. So werden die Hürden, vor allem in Bezug auf die Verpflichtung der Unternehmen, immer weicher. Bis zum Jahr 2027 werden dann auch Unternehmen in die Pflicht genommen, die nur zwei der folgenden drei Merkmale erfüllen:
-> Bilanzsumme: max. 350.000 EUR,
-> Nettoumsatzerlöse: max. 700.000 EUR oder
-> Durchschnittliche Anzahl der im Geschäftsjahr beschäftigten Mitarbeiter: max. 10.
Mit dieser einschneidenden Anpassung sind künftig auch viele Unternehmen der Daseinsvorsorge betroffen, die nun verpflichtet werden ihre Reports anhand eines einheitlichen EU-Berichtsstandards zu erstellen. Dieser Standard wird aktuell von der EFRAG (European Financial Reporting Advisory Group) (vgl. Übersicht der aktuellen Projekte des EFRAG) erarbeitet. Dies führt zwangsläufig zu einer Ausweitung, aber auch Präzisierung der zu berichtenden Inhalte, gleich ob es sich dabei um zurückgewandten Daten oder zukunftsgerichtete Inhalte sowie quantitative und qualitative Informationen handelt.
Die kommenden Jahre müssen von einem stattfindenden Umdenken geprägt sein. So sollte im ersten Schritt definiert sein, ab wann die CSRD-Regelung für die jeweilige Unternehmung gilt. Das heißt, ab welchem Jahr werden mindestens zwei der drei Merkmale erreicht, sodass ein Bericht notwendig ist. Für weiterführende Informationen empfehlen wir einen Blick in den Deutschen Nachhaltigkeitskodex, folgen Sie dazu dem Link. Des Weiteren sollte im Vorfeld stets eine Wesentlichkeitsanalyse stattfinden, um die auszuwertenden KPIs zu identifizieren, die für die spezifische Branche notwendig sind. Dies verlangt einen Überblick über die notwendigen Kennzahlen, die Sie zu jedem ESG-Kriterium sowohl durch Standards als auch entsprechende Kodizes bzw. Richtlinien erlangen können (siehe Abbildung).
Dabei ist zu beachten, dass bspw. die Energieversorgung andere KPIs aufruft als der ÖPNV. Eine Generallösung gibt es somit nicht. Weiterhin gilt es jedoch, diese Erfordernisse für die Berichtserstattung künftig in bestehende Prozesse zu integrieren, wofür nun die nachfolgenden Jahre genutzt werden müssen. Entscheidend dabei ist neben der Entwicklung einer geeigneten Nachhaltigkeitsstrategie, frühzeitig die benötigten Ressourcen zu akquirieren bzw. langfristig an das Unternehmen zu binden.
Doch neben all den Herausforderungen, die mit den gesetzlichen Änderungen einhergehen, können die Anpassungen auch als Chance wahrgenommen werden. So kann eine ESG-relevante Bewertung beim unternehmenseigenen Risikomanagement und der Verbesserung der Ressourceneffizienz unterstützen. Auch achtet heute bereits eine Vielzahl an Endkonsumenten bzw. Endverbrauchern auf eine nachhaltige Lebensweise und sucht mit diesem Hintergrund auch den Energieversorger oder einen potenziellen Arbeitgeber aus. Somit bietet die Pflicht des Nachweises der nachhaltigen Unternehmensführung neben den Optionen des Marketings bisher nicht erreichte Kundengruppe anzusprechen auch die Möglichkeit, bestehende Geschäftsmodelle zu optimieren bzw. neue zu entwickeln.
Die Integration der Regelung des ESG beschäftigt Sie bereits seit einiger Zeit oder wird in absehbarer Zeit für Sie als Unternehmen akut? Dann treten Sie jetzt mit unseren Nachhaltigkeitsexpertinnen in den Austausch und lassen Sie uns gemeinsamen Ihre Herausforderungen angehen.
Ulrike Tofelde